Monday, January 25, 2010

Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht

Die Anforderungen an eine Fußbodenkonstruktion auf Holzbalkendecke sind vielfältig. Lastaufnahme, Bodenbelagverlegung, Wärme-, Schall-, Brandschutz – der Wunschzettel von Bauherr, GU und Planer ist lang. Dass es die eierlegende Wollmilchsau unter den Untergrundkonstruktionen nicht gibt, zeigt dieser neu bearbeitete Beitrag von Alexander Unger – Dr. Estrich.

Für eine Fußbodenkonstruktion auf Holzbalkendecke
benötigen wir eine geeignete Lastverteilungsplatte.
Der Bauherr will nicht, dass seine
schweren Möbel Eindrücke oder Formveränderungen
in der Platte hervorrufen. Im Geschosswohnungsbau
wird viel Wert auf einen
gewissen Schallschutz gelegt.
Beim konstruktiven Wärmeschutz gelten die
DIN 4108 bzw. die sich aus der EnEV ergebenden
Werte und beim Brandschutz die
Landesbauordnungen. Im Altbau sollte die
Konstruktion nicht mehr als drei Zentimeter
auftragen und möglichst wenig wiegen. Dass
dies schwierig ist, sollen meine nachfolgenden
Ausführungen zeigen.

Diffusionsoffenheit ist gefragt

Bei einem Schadensfall wurde auf die Bohlen
der Holzbalkendecke ein Calciumsulfatfließestrich
auf thermisch verschweißter Schrenzlage
aufgebracht. Den Abschluss der Balken
bildete an der Unterseite eine Gipskartondecke.
Der Zwischenraum im Bereich der Holzbalken
war nach wenigen Monaten Nutzung
komplett vom Hausschwamm überwuchert.
Das Einziehen einer neuen Tragkonstruktion
kostete mehrere 100.000 Euro – was hatte der
Planer übersehen? Der sd-Wert der Schrenzlage
hätte ermittelt werden müssen. Sie wurde
zu einer Dampfsperre mit Bremswirkung.
Unter der Holzbalkendecke lagen Nassräume
mit hoher Luftfeuchtigkeit. Die Luft, mit Wasserdampf
angereichert, stieß an die Schrenzlage,
drang aber nicht durch. So reicherte die
Luftfeuchte sich auf 85 bis 98 Prozent an. Einen
Schaden eventuell verhindert hätte unter
der Gipskartondecke eine Dampfsperre. Liegt
innerhalb der Holzbalkendecke eine unbelüftete
Situation vor, dann sollte der sd-Wert der
Dampfsperre mindestens 100 Meter betragen
und an der Oberseite (Verhältnis 1:6) deutlich
kleiner als an der Unterseite sein. Da Dampfsperren
im Altbau oft nicht dicht sind, lassen
sich außer in Räumen mit extrem hohen Luftfeuchtewerten/
intensiven Gradienten weitgehend
diffusionsoffene Materialien als Trennlage
einsetzen; etwa Unterspannbahnen, wie
sie Dachdecker benutzen, mit sd-Werten von
0,02 Meter. Wird die Konstruktion diffusionsoffen
gestaltet, gilt diese Anforderung ebenso
für den Bodenbelag. Eine geeignete Be-/Entlüftung
kann dabei helfen, mit Feuchte gesättigte
Luftschichten abzuführen. Besonders dicke,
gut luftdurchlässige Randstreifen (Mineralwolle!)
unterstützen dies.
Es gibt spezielle Kernsockelleisten, welche
Lüftungsschlitze aufweisen, um den Luftaustausch
im Bereich der Fußbodenkonstruktion
zu unterstüzen (siehe Skizze "Der gute Tipp"
auf Seite 4). Unabhängig vom Boden kann
innerhalb der Holzbalkendecke die Be-/Entlüftung
von Vorteil sein. Als Lastverteilungsschicht
auf der Holzbalkendecke kommen
folgende Varianten in Frage:

Spanplatten auf Schüttungen

Ein Vorteil ist die geringe Konstruktionshöhe,
wenn für die nötige Ebenheit keine zu hohen
Ausgleichsmaßnahmen anfallen. Das zusätzliche
Gewicht ist sehr gering. Wegen der Diffusionsoffenheit
sind Schütt-/Abdeckmaterialien
mit niedrigen sd-Werten zu verwenden.
Die Spanplatten können aber auf differierende
Luftfeuchtigkeitsverhältnisse mit Verwerfungen
reagieren, sofern Verarbeitungsregeln
nicht exakt beachtet werden. Standardbodenbeläge
lassen sich bei geeigneter Ausführung
verlegen. Manko: Die üblichen Schalldämmboden
werte und geeigneter Brandschutz sind ohne
weitere Maßnahmen kaum zu erreichen. Bei
ungeeigneter Verdichtung der Schüttmaterialien
kann es durch Pumpvorgänge zu Wanderungen
der Materialien und in der Folge zur
Erhöhung der Ränder und im Extremfall zur
Schiefstellung von Möbeln kommen. Es sollten
deshalb lediglich im eingebauten Zustand
gebundene Schüttungen verwendet werden.



Fertigteilestrich auf Schüttung

Die Aufbauhöhe nimmt zu, auch das Gewicht
pro Quadratmeter. Dafür halten einem Brand
diese Estriche besser Stand. Es können in der
Regel alle Standardbeläge verarbeitet werden.
Nachteil: Die gewünschten Schalldämmwerte
sind schwer zu erreichen.

Gussasphaltestrich

Diese Platten werden gern im Altbau verwendet,
die Aufbauhöhe des Estrichs kann reduziert
werden auf drei Zentimeter. Wurden im
Untergrund keine Unebenheiten mit Gussasphalt
ausgeglichen, ist auch das Gewicht gering.
Das Material gilt als schwerentflammbar
(Stand 4/2007), kann sich bei Erwärmung als
Thermoplast jedoch verformen. Empfindlich
reagiert es auf Punktlasten, bei erhöhten Bitumenanteilen
drücken sich Regalfüße ein. Da
Gussasphalt in üblicher Dicke mit einem sd-
Wert von über 1.500 Meter praktisch dampfdicht
ist, wird ein freier Diffusionsaustausch
zwischen den Geschossen eingeschränkt. Der
große sd-Wert kommt zustande durch die hohe
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl in
Verbindung mit der relativ großen Schicht -
dicke.
Gibt es Feuchträume im Geschoss und ist die
Abführung von feuchtigkeitsangereicherter
Luft nicht zu jedem Zeitpunkt gewährleistet,
rate ich von dieser Lösung ohne weitere Maßnahmen
ab. Zu Wärmespannungen kann an
den Fenstern die Verarbeitungstemperatur
von ca. 210 Grad Celsius führen. Ein Lüften
der Räume sollte zu hohen Raumtemperaturen
vorbeugen.
Wird der Gussasphalt fachgerecht abgestreut,
lassen sich alle Standardbeläge verlegen. Er
weist durch das plastische/viskoelastische
Verhalten guten Trittschallschutz auf. Man
spricht hier auch häufig von einer "inneren
Dämpfung".

Calciumsulfatfließestrich

Auch auf Holzbalkendecken sowie im Altbau
wird immer mehr Fließestrich verwendet, da
sich fünf bis zehn Millimeter Dicke einsparen
lassen und eine kleinere Auflast erzielt wird.
Beim Brandverhalten ist CAF zu vergleichen
mit Zementestrich. Es kann auf Holzbalkendecken
zu den gezeigten Problemen führen,
dass CAF einer dicht verschweißten Unterlage
bedarf, um die Unterkonstruktion vor der
Durchfeuchtung zu schützen. Flüssigkeit aus
dem Mörtel könnte bei ungeeignet verbundener
Abdeckung in die Unterkonstruktion eindringen.
Standardbeläge können nach Oberflächenvorbehandlung
inkl. Schleifen, Grundieren,
Spachteln verlegt werden. Der Schalldämmwert
ist bei gleicher Dämmung infolge geringerer
Masse leicht ungünstiger als beim konventionellen
Estrich. CAF ist ohne weitere
Maßnahmen nicht geeignet für Räume mit
Nassbelastung (keine Feuchteresistenz).





Magnesia- als Steinholzestrich nach DIN 272

Die Verlegung als Steinholzestrich mit organischen
(Sägespäne, -mehl) und mineralischen
(Sand, Quarzsand) Zuschlägen ist klassisch.
Im fertigen Mörtel sollen Zuschläge raumfüllend
wirken; dessen Eigenschaften (Wärmeleitzahl,
Erhärtungszeit, Festigkeit) beeinflussen
sie. Höhere Temperaturen beschleunigen,
hohe relative Luftfeuchten verlangsamen die
Reaktion nach der Verlegung und die Verdunstung.
Die Verdunstung der beim Verarbeiten
in den Est richmörtel gelangten Wassermenge
ist wichtig. Zwischen fünf und 25 Grad liegen
die zuverlässigen Temperaturgrenzen bei der
Estrichverlegung. Am häufigsten ist die Verlegung
im Verbund, auch möglich ist die Trennschicht-/
schwimmende Konstruktion. Durch
die Mörtelzubereitung per Zwangsmischer an
der Baustelle ist der Mischvorgang intensiver.
Druckluftpumpen fördern das Material. Infolge
geringer Rohdichte und Schichtdicken von
zwei Zentimeter lasten gerade 18 bis 32 Kilogramm/
Quadratmeter auf der Unterkonstruktion.
Für die verbleibende Raumhöhe ist das
positiv. Stufen sowie Schwellen durch Höhensprünge
sind selten. Reduzieren lässt sich
das Knarren von Holzböden. Holzcharakter
und geringe Wärmeableitung sorgen für angenehmes
Begehen. Der Estrich nimmt in einem
gewissen Umfang Deckendurchbiegungen
auf. Das Brandverhalten ist nicht zweifelsfrei
ermittelt, Experten vermuten (Stand
4/2007) eine Einstufung als schwerentflammbar
B1). Vor der Belagverlegung folgt (bei der
Variante im Verbund nach zwei Wochen)
auch hier eine CM-Messung. Alle Standardbeläge
lassen sich aubringen, infolge der rauen
Oberfläche ist mehr Grundierung/Spachtelmasse nötig.
Bei Verlegung großformatiger
Platten auf keramischer oder Steinbasis empfehlen
sich etwa EP-Grundierungen als
Feuchteschutz. Die Verlegung in häuslichen
Bädern ohne Bodenablauf, das entspricht
Feuchtigkeitsbeanspruchungsklasse 1, ist bei
geeigneter Verbundabdichtung möglich,
nicht aber in Räumen mit Dauernassbelastung.
Bei großen Platten sind Verlegemörtel
mit kristalliner Wasserbindung geeignet. Der
Estrich sollte durch Grundierungen geschützt
werden, da wegen dem geringen Fugenantteil
die Klebstofffeuchte langsamer ausdiffundiert.
Im Verbund gibt es weniger Probleme
mit dem Diffusionsverhalten. Nach der
Grundierung wird die Dielung mit Pappstiften
auf der Holzbalkendecke abgenagelt, ehe der
Estrich im Verbund aufgebracht wird. Beim
Begehen fühlt sich das an wie ein massiver
Fußboden. Eine verbesserte Trittschalldämmung
ist nicht planbar, obwohl das Material
eine „innere Dämpfung“ aufweisen soll – ohne
Unterdecken erreicht man wegen fehlender
Masse in der Unterkonstruktion auch bei
schwimmender Verlegung auf Trittschalldämmung
Mindestschallschutz nicht immer.
Das Verlegen dieser Estriche erfordert handwerkliches
Geschick und viel Erfahrung, weshalb
diese Technik momentan nur von wenigen
deutschen Betrieben angeboten wird.



Zementestrich

Der schwimmende Estrich sollte bei der Festigkeitsklasse
C25-F4 mindestens 45 Millimeter
dick sein, das Gewicht beträgt 90 Kilo pro
Quadratmeter. Ich empfehle Spannungen aus
Deckendurchbiegungen mit Stahlfasern vorzubeugen.
Zugehörig zur Euroklasse Afl, sollte
in keiner Brandphase ein Beitrag erwartet
werden. Die Abdeckung der Dämmschicht –
aus diffusionsoffenem Material – muss nicht
verschweißt werden. Sämtliche Standardbeläge
sind möglich. Kombiniert mit Dämmstoffen
von geringer dynamischer Steifigkeit wie
Mineralwolle, weist der Estrich (Masse-Feder-
Prinzip) einen guten Schallschutzwert auf.



Lösung ohne Bretterschalung

In diesem Fall kann die Verlegung von freitragenden
Schwalbenschwanzblechen (Profilhöhe
16 Millimeter) quer zu den Balken sinnvoll
sein. Etwaige Schüttungen zwischen den
Balken brauchen nicht beseitigt zu werden,
vor Aufbringen der Bleche kann die Trittschalldämmung
streifenweise oder vollflächig
verlegt werden. Meist rät der Hersteller,
die Schwalbenschwanzprofile bei einer Oberflanschüberdeckung
von 35 Millimeter mit
Zementestrich auszugießen.
Für Profil und Estrich ohne Dämmung ergibt
sich eine Höhe von 50 bis 55 Millimeter. Für
hohe Diffusionsoffenheit ist zu kleinen Profilplattenformaten
zu raten, da diese mehr Fugen
haben. Falls machbar, könnte über Räumen
mit höherer Luftfeuche unter der Decke
noch eine Dampfsperre angebracht werden.

Resümee

Die Frage nach geeigneten Lösungen für Fußbodenkonstruktionen
auf Holzbalkendecken
kann also durchaus beantwortet werden. Jedoch
müssen bereits bei der Auswahl der Materialien
für Dämmung und Lastverteilungsplatten
Produkteigenschaften exakt beachtet
werden. Aus brandschutztechnischen Gründen
sollte der Randstreifen aus Mineralwollematerial
bestehen. Unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten
hat sich der Zementestrich als
passabler Problemlöser für Anforderungen an
die Fußbodenkonstruktion auf Holzbalkendecke erwiesen.
In einer Kombination mit den Schwalbenschwanzplatten
ist er in der Sanierung ein
wichtiges Hilfsmittel, um hohe Lastaufnahme
bei günstiger Aufbauhöhe sicherzustellen.
Die eierlegende Wollmilchsau gibt es derzeit
noch nicht. Bei solchen Konstruktionen ist
der informierte Planer gefragt, der die beabsichtigte
Nutzung der einzelnen Räume
kennt und bei Bedarf unter Hinzuziehung der
Fachfirma als Einziger qualifiziert ist, den für
das Bauwerk günstigsten Aufbau zu wählen.

Dr. Alexander Unger

Thursday, January 14, 2010

Estrich auf die feine englische Art

„Natürlich machen wir auch Estrich in England, aber gibt es dort keine Fachfirmen vor Ort, die dies preisgünstiger ausführen können?“ Das waren ungefähr meine Worte, als uns ein befreundetes Architekturbüro anrief, um zu fragen, ob wir bereit wären, schwimmenden Estrich in einem Waren-verteilerzentrum in Swindon (bei Bristol) zu verlegen. Der Kunde war Aldi England und auf unsere Frage hin, teilte man uns mit, dass die Estrichleistungen beim Vorprojekt nicht zur Zufriedenheit des Kunden ausgeführt worden seien. Umfangreiche Flächen mussten wieder ausgebaut werden und es kam zu Zeitverzögerungen, verbunden mit hohen Kosten. Im Rückblick glaube ich, dass es in England leicht ist, eine Fachfirma für den Betoneinbau zu finden, man sich jedoch schwer tut, eine solche für den Einbau von schwimmendem Estrich auf Dämmung aufzutreiben. Dies mag daran liegen, dass es in England kein vergleichbares Ausbildungssystem wie in Deutschland gibt. ‚Facharbeiter’, welche heute Estrich einbauen, haben oft vor ein paar Tagen noch als LKW-Fahrer, oder als Bäcker gearbeitet.

Ich erklärte mich damals bereit, ein Angebot für dieses Objekt zu erarbeiten. Nachdem ich neben Deutsch auch Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch spreche, ging ich davon aus, bei diesem Objekt nicht auf sprachliche Barrieren zu stoßen. Die Angebotsbearbeitung war jedoch viel komplizierter als ich mir dies vorgestellt hatte. Es waren steuerliche Aspekte zu klären, wie z.B. die Frage, ob man an einen ausländischen Kunden die Mehrwertsteuer berechnet, wenn das Gewerk in England verbleibt. Weiterhin ergab sich die Schwierigkeit, dass wir beim Wareneinkauf in Eng-land die Mehrwertsteuer zwar bezahlen müssten, jedoch diese nur in einem äußerst komplizierten Verfahren zurückbekommen würden. Weiterhin ergaben sich Fragen zur Haftpflichtversicherung, zur Krankenversicherung der Mitarbeiter, zu dem Transport des LKW’s, der Pumpe und der Mate-rialien an die Baustelle in England. Viele Großhändler, bei denen wir die Leistung anfragten, waren entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Materialien per Spedition nach England zu verbringen. Diese und eine ganze Reihe anderer Unsicherheiten begleiteten mich, als ich mit ei-nem flauen Gefühl in der Magengegend das Angebot abgab. Es war realistisch kalkuliert, jedoch natürlich mit einem Aufschlag für die Tätigkeiten im Ausland. Danach hörte ich erstmal ein halbes Jahr nichts mehr. Ich hatte die Angelegenheit schon fast ‚ad acta’ gelegt, als mir mein Ansprech-partner aus dem Architekturbüro mitteilte, dass man in der Zwischenzeit die Leistung etwas modifi-ziert habe und man mir ein neues Leistungsverzeichnis (natürlich auf Englisch) übersenden würde. Beim Ausfüllen des mit englischen Fachbegriffen gespickten Leistungsverzeichnisses half mir die Tatsache, dass ich meine estrichspezifische Dissertation auf Englisch verfasst hatte. Auf unser Angebot hin wurde ich relativ kurzfristig zu einem Vergabetermin vor Ort nach Swindon eingela-den. Nachdem die Arbeiten bei Vergabe an uns kurzfristig beginnen sollten, reiste ich mit einem Laser im Gepäck an. In London mietete ich einen Wagen und kämpfte zunächst einmal mit den in England üblichen Linksverkehr. Gerade bei den dort sehr beliebten Kreisverkehren ist es jedes Mal eine Herausforderung, auch wieder auf der richtigen Seite auszufahren. In Swindon gab es sogar ein ‚Magic Roundabout’, das aus einem großen Kreisverkehr in der Mitte und fünf kleineren, ring-förmig um den inneren Kreisverkehr angeordneten, weiteren Kreisverkehren besteht. Da kommt man als Fahrer durchaus ins Schwitzen! Am nächsten Tag wurde ich mir mit den Verantwortlichen von Aldi England im Zuge des Verhandlungsgespräches relativ bald einig. Um die Währungsprob-lematik auszuschalten, offerierte man mir, in Euro (statt in engl. Pfund) auszuzahlen und als Um-rechnungskurs den Satz am Vergabetag zu verwenden. Dies sollte sich im Nachhinein als eine günstige Lösung für uns herausstellen, da das Pfund im Zuge der Baustellenabwicklung deutlich an Wert gegenüber dem Euro verlor und wir sonst 15-20% weniger Vergütung erhalten hätten. Wer also solche Objekte angeht, dem kann ich diese Vorgehensweise nur empfehlen.

In England darf man kurzfristig nur dann handwerklich tätig werden, wenn man vorher general-planmäßig festgelegt hat, welche Risiken im Zuge der Ausführung der Arbeiten entstehen, wie man entsprechend vorbeugt und was man tut, wenn es doch zu einem Unfall kommt. Verlangt wurde ein umfangreiches Traktat mit ca. 50 Seiten und alles natürlich auf Englisch. Außerdem soll-ten sämtliche Datenblätter zu den einzubauenden Produkten von uns geliefert werden und da stell-ten wir zum ersten Mal fest, dass selbst renommierte deutsche Hersteller nicht über Datenblätter in englischer Sprache verfügen. Manche Hersteller erklärten auf Anfrage, sie lieferten exklusiv für den deutschsprachigen Markt und wenn man eine englische Übersetzung benötigen würde, so müsse man eben eine solche selbst anfertigen. So viel zum Thema: ‚Der Kunde ist König!’. Nach-dem alle notwendigen Unterlagen in aufwändiger Kleinarbeit beschafft worden waren, konnten die Arbeiten beginnen. Bei der Unterbringung unserer Kolonne stellten wir fest, dass es in England sehr teuer ist, selbst einfache Übernachtungsmöglichkeiten anzumieten. Auf der Baustelle selbst galten rigide Sicherheitsbestimmungen: Zutritt war nur nach erfolgter Sicherheitseinweisung mit einem entsprechenden Ausweis möglich. Kontrolliert wurde dies durch einen Sicherheitsdienst. Auch die Bauleiter mussten im gesamten Baustellenbereich zu jeder Zeit Helm, Warnweste und Sicherheitsschuhe tragen. Man kann sich vorstellen, wie begeistert die Estrichleger über diese Regelung waren. Wer schon einmal versucht hat, Estrich mit Helm und Sicherheitsschuhen zu verlegen, der weiß, wovon ich rede. Interessant war, dass im gesamten Baustellenbereich nichts gegessen, nichts getrunken und nicht geraucht werden durfte. Auf diese Weise wollte sich der Bauherr die Schwierigkeit des zusätzlichen Mülls ersparen. In jedem Baustellenabschnitt befanden sich Feuermelde- und Löschstationen, die vom ständig anwesenden Sicherheitsbeauftragten arg-wöhnisch überwacht wurden. Die deutschsprachigen Firmen konnten es sich manchmal allerdings nicht verkneifen, ihre kleinen Scherze mit dem Sicherheitsbeauftragten zu treiben. Als ich gemein-sam mit ihm eine Begehung durchführte, stellte er plötzlich fest, dass eine seiner geliebten Feuer-löschstationen in einem Baustellenbereich verschwunden war und rief empört aus: „Bloody hell! They stole my firestation!"

Ein großes Problem war die Tatsache, dass in England nur die Verwendung von elektrischen Ge-räten mit 110 Volt Spannung erlaubt ist. Man kann allerdings selbst unter Verwendung von Adap-tern ohnehin kein elektrisches Gerät mit 220 Volt betreiben, da es nicht die gewohnte Leistung erbringen würde.

Die meisten Probleme hatten wir allerdings mit dem in England verfügbaren Sand. Die dort anzu-treffenden Gesteinskörnungen sind in der Regel viel zu fein, um damit einen vernünftigen Estrich zu erstellen. Ich traf mich für die Abwicklung der Baustelle mit einer ganzen Reihe von Sandliefe-ranten und einer brachte mir schließlich einen Marinesand als Muster mit einer Unmenge von klei-nen Muscheln. Als ich ihm sagte, dass wir den Sand in einer größeren Körnung benötigen würden, sagte er mir, dies wäre leicht zu lösen: „Er bräuchte nur mehr Muscheln beimischen!“ Wir behalfen uns schließlich mit einer Mischung aus gröberen Gesteinskörnungen und den feineren Sanden.

Nachdem wir alle anderen Materialien bis auf den Sand aus Deutschland anlieferten, lief die Ver-legung der Estriche unter Berücksichtigung der üblichen Baustellenschwierigkeiten zufriedenstel-lend. Wer sich auf Auslandsbaustellen einlässt, der sollte sich im Vorherein darüber klar sein, wel-che Aufgabenstellungen ihn im spezifischen Fall erwarten. Die notwendige sprachliche Bewälti-gung ist fast schon das kleinere Problem. Für Fragen, welche Bauleitung, Gutachten oder Ausfüh-rungen im Ausland betreffen, stehe ich den Lesern gerne zur Verfügung.

An einem Abend wollte ich unserer wackeren Kolonne etwas Gutes tun und sie zum Essen in ein typisch englisches Pub einladen. Wir begaben uns also in ein solches Lokal, welches sich vom optischen Eindruck her in den letzten Jahrhunderten wohl kaum verändert hatte. Wir betraten den mit Bierdunst gefüllten, dunklen Raum und schlugen die Karte auf. Empfehlung des englischen Chefkochs: Tagliatelle alla Veneziana! Dann doch lieber fish and chips!

Dr. Alexander Unger




Feuerlöschstationen auf der Baustelle

Foto: Dr. Alexander Unger



Warnhinweise auf der Baustelle
Foto: Dr. Alexander Unger